Bericht zur Reise von Eva Kopp 2013

Liebe Freunde und Paten,

seit einigen Tagen bin ich wieder zurück aus Madagaskar und bevor ich über unser Projekt in Talata berichte, möchte ich Euch gerne erzählen, wie es im Moment in Madagaskar zugeht : Madagaskar ist die 4.größte Insel der Welt, mit ca. 22,6 Mio. Einwohnern. Davon sind ca. 41 % jünger als 14 Jahre. Die Lebenserwartung bei Erwachsenen liegt bei 64,8 Jahren, die Sterblichkeit bei Kindern unter 5 Jahren beträgt 62 Promill. (Die Lebenserwartung ist allerdings rückläufig).

  • 80 % der Bevölkerung ist arbeitslos
  • 66 % der Bevölkerung sind Analphabeten
  • 92 % der Bevölkerung lebt unterhalb der Armutsgrenze; (ca. 1,40 US Dollar)Madagaskar gehört zu den 12 ärmsten Ländern der Erde
  • 56 % aller Frauen haben keine professionelle Hilfe bei der Geburt eines Kindes
  • 65 % aller Frauen haben keinen Zugang zu korrekten, sanitären Verhältnissen bei der Geburt eines Kindes
  • 25 % aller eingeschulten Kinder können das 2. Schuljahr nicht mehr besuchen.

Folge dieser extremen Armut ist, daß mindestens 1 von 4 Kindern gezwungen ist, zu arbeiten, um zum Unterhalt der Familie beizutragen. Der sexuelle Mißbrauch von minderjährigen Mädchen, vor allem in den Touristen- zentren ist an der Tagesordnung

In der Hauptstadt Antananarivo verschwinden jährlich 1.000 Kinder, häufig werden sie in den Familien mißhandelt oder mißbraucht - Aufklärung durch die Polizei findet nicht statt. Jeden Tag sterben 9 Frauen an den Folgen einer Schwangerschaft, oder einer schwierigen Geburt. Malaria und Durchfallerkrankungen sind häufig; die ärztliche Versorgung in den ländlichen Gebieten findet kaum statt, d.h. der Großteil der Bevölkerung hat keinen Zugang zu medizinischer Versorgung.

Die allgemeine Hygiene ist ebenfalls problematisch; man geht davon aus, daß nur ca. 11% der Bevölkerung in Verhältnissen mit korrekten Sanitäranlagen leben, und nur ein Drittel der Grundschulen mit Toiletten ausgestattet sind. Der Zugang zu Trink- wasser ist eingeschränkt, was ebenfalls eine Vielzahl von gesundheitlichen Problemen verursacht. Ungefähr ein Viertel aller Kinder werden nicht eingeschult. Für die Schulbildung der Kinder fehlt in Großteilen des Landes die Infrastruktur, die Schulgebäude sind beschädigt, oder durch Zyklone zerstört. In manchen ländlichen Gebieten ist nach 2 - 3 Jahren die Schule zu Ende - es fehlt das Personal.

Ungefähr 40 % der jungen Mädchen sind mit unter 18 Jahren verheiratet. In manchen Ethnien schon mit 13 Jahren.

Ca. 25 % aller Geburten werden in keinem Register festgehalten, was den Kindern zahlreiche Nachteile einbringt; wenn sie überhaupt zur Schule gehen, können sie keine Prüfungen ablegen, der Zugang zu sozialen Dienstleistungen ist eingeschränkt, sie dürfen nicht wählen, etc.

All das sind die Folgen der jetzigen Politmafia, die schamlos die Kassen plündert und sich einen Dreck um die Bevölkerung schert. Jetzt noch einige persönliche Eindrücke :
Meine Reise führte mich diesmal vom Hochplateau mit der Hauptstadt Antananarivo aus nach Osten in die Parks von Andasibé und weiter zum Pangales-Kanal. Zurück in die Hauptstadt, dann in die Parks von Ankaranafatsika und Ankarana. In Ankarana sind wir nur knapp einem Überfall entgangen - wir waren einfach zu spät dran, um am Nachmittag in der Hitze noch in den Park zu gehen. An diesem Tag wurden insgesamt 30 Touristen um ihre Habseligkeiten erleichtert.

Dieses Jahr war ich das 5. mal in Madagaskar; jedes mal denke ich, es kann nicht schlimmer werden.... weit gefehlt. Das Land rutscht ins Chaos und schuld daran ist die derzeitige, nicht gewählte Putschistenregierung unter dem ehemaligen DJ Andry Rajoelina. Am 20.12.2013 findet der 2. Wahlgang statt und alle hoffen, daß der Favorit, Dr. Robinson, diesen Termin auch erleben wird.

Die Kriminalität ist sprunghaft gestiegen, allerorten stehen Polizisten, um Busse und Motorradfahrer zu kontrollieren, was aber nur bedeutet, Schmiergeld zu kassieren. Hierzu ein kleines Beispiel : In meinem Hotel in Diego Suarez (ganz im Norden) hatte ich nachts im 2. Stock (!) die Balkontür etwas aufgelassen. Ich bekam einen Anruf,ich möchte doch bitte die Türe schließen, wegen der Einbrecher. Die Anzahl der bettelnden Kinder hat weiter zugenommen und in der Hauptstadt sollte man besser nicht alleine unterwegs sein.
Das zweite riesige Problem, gleich nach der korrupten Regierung, ist für mich die Anzahl der landlosen Arbeiter, die wie die Heuschrecken über das Land herfallen, alles abbrennen, Bananen und Maniok anbauen und nach drei Jahren, wenn die Erde ausgelaugt oder weggespült ist, weiterziehen und andernorts ihr Unwesen treiben. Diese Menschen können weder lesen noch schreiben, haben aber zahlreiche Kinder, die natürlich nie eine Schule von innen sehen und es eines Tages ihren Eltern gleichtun. Die Schäden durch Erosion sind enorm und der Schaden ist nicht wiedergutzumachen. Es ist eine Katastrophe !! Vielen Dank, daß Ihr mir bis hierher gefolgt seid, denn jetzt kommt das Positive. Bei den Kindern in Talata läuft es im Moment sehr gut. 2 Mädchen haben ihr Abitur gemacht, 1 will Jura und die andere Journalismus studieren. Wir werden sie natürlich weiter unterstützen. Eine Dritte macht eine "Coiffeur-Ausbildung", also Friseurin. Wir hatten noch nie so wenige Kinder, die die Klasse wiederholen müssen, es sind vor allem ganz kleine Kinder, die "den Ernst des Lebens" noch nicht verstehen.

Im Moment haben wir folgendes Projekt : Wir möchten gerne die Schlafräume der Pensionskinder vergrößern; das Angebot eines Architekten liegt derzeit bei ¤ 15.000. Dieses Angebot wird von einem Freund geprüft, der Madagaskar und Talata sehr gut kennt. Vor allem kann dieser Freund auch beurteilen, ob das Angebot realistisch ist und wo man einsparen kann.

Im Jahr 2013 gab es einige Veranstaltungen unter dem Motto "bitte keine Geschenke, sondern eine Spende für Talata", so daß wir für dieses Projekt ein Polster von ca. ¤ 5.500,-- schon auf dem Konto haben. Sobald ich die genaue Summe weiß, werde ich weiter berichten. Sollte sich aber jemand spontan schon jetzt an diesem Projekt beteiligen wollen, wären die Kinder, die Schwestern und ich aus tiefstem Herzen dankbar.

Mein Bericht ist dieses Jahr deshalb so ausführlich ausgefallen um Euch zu zeigen, daß unser Engagement dort mehr als wichtig ist und daß wir wirklich etwas bewegen können. Natürlich kann man nicht alle Kinder retten und leider muß man auch immer Mißerfolge akzeptieren, aber das sollte uns nicht daran hindern, positiv zu denken und uns weiterhin für die Kinder zu engagieren. Jeder neue Pate ist herzlich willkommen.


Ich danke Euch für Euer Vertrauen und für Eure Unterstützung.


Eure Eva, im November 2013

PS: Mein Bericht soll Euch auf keinen Fall die Lust auf eine Reise nach Madagaskar verderben. Es gibt traumhaft schöne Gebiete und die Parks mit ihrer Tier- und Pflanzenwelt sind einzigartig. Also, sollte jemand von Euch die Lust verspüren, mich zu begleiten, dann wäre das für mich die größte Freude.



Fotos zur Reise