Bericht 2022

Liebe Freunde, liebe Paten,

endlich, endlich konnten wir wieder zu den Kindern und in die Schule in Talata Volonondry fahren. Wir waren zu fünft, mein lieber Freund und Vorstandskollege Dr. Josef Sobek mit seiner Tochter aus Münster und zwei Freunde aus München. Unsere Reise führte uns über Frankfurt und Addis Abeba nach Antananarivo. Der Abholservice stand schon am, neu renovierten, Flughafen bereit. Während der Coronazeit wurde der Flughafen in ein modernes, vor allem gut funktionierendes und übersichtliches Zentrum umgebaut.

Wir sind am Samstag, den 19.11.22 in Tana angekommen, es kam gleich der Geldwechsler und auch neue SIM-Karten konnten besorgt werden. Sonntag Nachmittag war für unsere „Großen“ reserviert, also Jugendliche, die eine Ausbildung beendet haben, oder noch in der Ausbildung sind. Noelline - fertige Krankenschwester, macht jetzt im Januar einen Kurs in Anästhesie und Réanimation, Manuella - wird im Januar 23 mit der Ausbildung zur Krankenschwester/Hebamme fertig, Lalaina - Master in Verwaltungsrecht, Nantenaina - fertige Krankenschwester/Hebamme, Rojo - Ausbildung Hotelfach/Umweltschutz, Sitraka Patricia - Krankenschwester/Hebamme Lanto - Ausbildung zur Lehrerin und Nick, der die theologische Universität der Anglikaner besuchen wird.

Nantenaina hat von uns einen Kredit über 700,-- bekommen, um ihre eigene Praxis zu eröffnen.

Am Montag ging es dann zu den Kindern und einem ersten, persönlichen Treffen mit der neuen Verantwortlichen, Soeur Jeannette. Sie leitet seit letztem Jahr unsere Schule und der Beginn unserer Zusammenarbeit war etwas holprig. Inzwischen läuft alles reibungslos.

In unsere Schule, Victoire Rasoamanarivo, gehen inzwischen 1.090 Kinder, davon haben 191 durch uns einen Paten gefunden und haben, wenn sie ihre Chance denn begreifen, ein ordentliches Leben vor sich. Unterrichtet werden die Kinder von 6 Schwestern und 55 Lehrkräften.

Problematisch für die Kinder war allerdings die Zeit während Corona. Die Schule war 5 Monate geschlossen - in dieser Zeit haben die Eltern die Hausaufgaben für die Kinder in der Schule abgeholt und sie dann (gelöst oder ungelöst) wieder zur Schule gebracht. Aber was nützt das alles, wenn entweder die Eltern nicht, oder kaum, lesen und schreiben können, oder zu weit von der Schule entfernt wohnen. Zusätzlich waren dann 3 Monate Schulferien, d.h. ein komplett verlorenes Schuljahr. Es hat sich auch das Französisch der meisten Kinder verschlechtert, aber wir sind dran, zusammen mit der Schwester eine Lösung zu finden. Ich gehe davon aus, daß viele Kinder das Schuljahr wiederholen müssen.

8 Kinder sind bei Schulanfang nicht mehr erschienen, komischerweise häufig Mädchen, in der Schule unterer Durchschnitt, die auf einen Kerl reinfallen und dann die Schule verlassen. Schade…, aber eine Chance für andere Kinder.

Hier noch eine wunderbare Geschichte: Der Fußballverein Wacker Mecklenbeck in Münster hat einen Spendenabend veranstaltet, an dessen Einnahmen auf wir teilhaben dürfen - vielen Dank. Das Geld können wir gut gebrauchen, da am Jahresanfang die Ausbildungsgebühren fällig sind.

Nach wie vor ist es so, daß für die Ausbildung bezahlt werden muß; im Schnitt ca. 300,--/Jahr, plus 300,-- für ein Notebook, plus Hefte, Bücher, Fahrtkosten und Praktikum. Wer kann das dort bezahlen ????

Die Situation im Land hat sich nicht verändert, zumindest nicht zum Besseren. Madagaskar ist auf der Armutsscala auf den 5.-letzten Platz abgerutscht, mit einem Durchschnittseinkommen pro Jahr/pro Kopf von ca. 502,-- $, also ca. 1,40 $ pro Tag. Wie soll man davon eine Familie ernähren. Die Hauptprobleme sind nach wie vor, Korruption, Überbevölkerung und Brandrodung; aber wie soll sich etwas ändern, wenn die Verantwortlichen selbst korrupt sind bis in die Haarspitzen.

Die Straßen sind in einem miserablen Zustand, ein Schlagloch am anderen, es fährt kein Personenzug mehr, ständig Polizeikontrollen (die Frage erübrigt sich, um was es bei diesen Kontrollen geht), Luftverschmutzung, kein funktionierendes Gesundheitswesen, keine Müllabfuhr und ein staatliches Strom- und Wasserversorgungswerk, Jirama, das den Bürgern ständig Strom und Wasser abstellt (die eigenen Mitarbeiter bleiben davon aber verschont).

Nächstes Jahr sind Wahlen, der jetzige Präsident, ein ehemaliger DJ, hat die Weichen für seine Wiederwahl schon gestellt und es werden Unruhen befürchtet. Wir werden sehen, wie sich das auf unsere Reisepläne auswirken wird.

Mein Bericht müsste den Titel tragen „Madagaskar - reiches, armes Land“. Das war die Aussage eines jungen Madagassen und das trifft es haargenau. Auf der Insel gäbe es alles, um den Menschen ein gutes Leben zu ermöglichen, aber was nützt es, wenn die Infrastruktur fehlt und die Korruption zuschlägt.

Aber, liebe Freunde, Madagaskar ist trotzdem immer eine Reise wert. Es sind liebenswerte, freund- liche Menschen und ich freue mich heute schon auf meine nächste Reise. Vor allem können wir alle stolz auf unser Engagement sein - es ist zwar nur ein Tropfen auf den heißen Stein, aber für viele unserer Kinder verändert es die Welt zum Besseren.

Dazu eine wirklich schöne Geschichte - Anfang des Jahres haben wir das letzte Kind (4 Jahre alt) von unserer Warteliste in unser Programm aufgenommen. Auf seinem Foto war allerdings zu sehen, daß er ganz schrecklich krumme Beine hatte. Nach einem Besuch bei Dr. Lala Arison bestätigte sich unser Verdacht, der kleine Nambi litt an Rachitis. Das bedeutete, daß die Beine im Krankenhaus ge- brochen und geradegerichtet werden mußten. Der arme Kerl mußte 6 Wochen in Gips liegen, aber der Aufwand hat sich ausgezahlt. Heute läuft er wie alle anderen Kinder und hat ein normales Leben vor sich. Die Operation wurde von meinem Mann privat bezahlt.

Zum Schluß möchte ich mich bei allen Unterstützern und Spendern bedanken, bei meinen Reisebegleitern, die alles ohne Murren hingenommen haben, bei meinen Vereinskollegen, bei meiner lieben Hilfe Bernadette für die Hilfe beim Übersetzen der Briefchen, vor allem aber bei Dr. Josef Sobek, einer unerschöpflichen Quelle neuer Paten und meinem Mann, der mir diese Reisen erst ermöglicht.

Ich wünsche Euch Allen alles Liebe und Gute für das kommende Jahr und bleibt unserer Sache treu.

München, im Januar 2023, Eva