Reisebericht Talata Volonondry, Madagaskar,
zum 10-jährigen Bestehen unseres Projektes

Liebe Freunde und liebe Paten,

die Zeit vergeht wie im Flug und seit einer Woche bin ich von meiner diesjährigen Reise zu den Kindern zurück. Es hat alles sehr gut geklappt und es gibt fast nur Gutes zu berichten.

Im Moment betreuen wir 85 Kinder; davon sind 2 Mädchen ausge- schieden - eines auf eigenen Wunsch und bei dem anderen mußten wir die Patenschaft beenden. Sie war zu schlecht in der Schule und auch zu weit entfernt, um sie und ihre Leistungen kontrollieren zu können. Nor- malerweise betreuen wir nur Kinder in Talata oder Antananarivo (wo die weiterführenden Schulen sind), aber in diesem Fall haben wir, aufgrund der Vorgeschichte eine Ausnahme gemacht. Beide Kinder werden natürlich ersetzt.

Alle anderen Kinder sind, mehr oder weniger, fleißig in der Schule. Manche könnten besser sein, andere tun, was sie können. Die großen Knaben entdecken die Mädchen, was natürlich auch zu Schwankungen bei den Noten führt - aber die Schwestern versuchen, sie wieder "in die Spur" zu bringen.

Derzeit sind 3 Kinder in der vorletzten Klasse des Gymnasiums, mit folgenden Berufswünschen (Joséphine - Krankenschwester, Toky-Michel Ecotourismus und Yvas - weiterführende polytechnische Schule).

In der Abiturklasse haben wir 6 Kinder (Daurice - Elektrotechniker, Florence - Krankenschwester, Francky - Elektronik, Marie-Viviane - Krankenschwester, Miki-Hermann - Elektronik und sein Bruder Frédéric - Verwaltung).

In der Ausbildung befinden sind 5 Kinder (Noeline - Hebamme, Samuel Automechaniker, Lalaina Odette - Jura, Mahoul - Schneiderin mit Schwerpunkt Sticken und Faniry - Automechaniker, Mamitina - Friseurin)

Zu Faniry ist folgendes zu erzählen : Er ist das Gemeinschaftkind zweier Paten; der gewalttätige Vater wollte ihn nicht weiter zur Schule gehen lassen und in seiner Not hat er die Schwestern gefragt, ob sie ihm denn nicht helfen könnten - er würde gerne Automechaniker werden. Er ist glücklich über seine Chance und nutzt sie auch.

Der von uns finanzierte Ausbau der Schlafräume der internen Mädchen ist wirklich toll geworden. Hell, luftig und sauber, Ihr könnt die Bilder sehen. Für den 1. Stock ist Soeur Jeanette zuständig und für den 2. Soeur Nicole. In den Stockbetten schläft ein kleines Mädchen unten und ein großes oben, das große Mädchen ist die Patin des kleinen und hat ihr bei den verschiedensten Dingen zu helfen, wie anziehen, frisieren, usw.

Etwas, was mir nicht gefallen hat, ist das Niveau unserer Kinder in Französisch. Soeur Honorine erklärte mir, daß nicht genug Lehrer für den Unterricht zur Verfügung stünden und die Kinder praktisch nur Schreiben und Konjugieren lernen, aber nicht sprechen. Nachdem unser Patenprojekt aber mit einer guten Ausbildung steht und fällt, zu der natürlich auch vernünftiges Französisch gehört haben wir uns nun darauf geeinigt, einen weiteren Lehrer einzustellen, der mit den Kindern (mit allen Kindern in der Schule) Französisch übt. Nach einigem Zögern habe ich mich bereit erklärt, die Kosten hierfür zu übernehmen - ¤ 30,--/monatlich.

In der Schule sind derzeit ca. 430 Kinder, Vorschule - Mittlere Reife. Wir werden in Zukunft darauf drängen, daß die Kinder in Talata ins Gymnasium gehen und nicht in der Hauptstadt, wo wir kaum noch Kontrolle haben. Das Schulgeld beträgt 12.000 Ariary (seit Jahren unverändert), das sind ca. ¤ 4,,--. Neuerdings gibt es aber Schulen, die mit folgendem Trick werben : Der neue Schüler darf sofort eine Klasse überspringen ?! Ohne weitere Worte.

Wie Ihr wißt, haben wir dieses Jahr unser 10-jähriges Bestehen gefeiert und ich möchte ein großes Dankeschön an meinen lieben Freund und ebenfalls Paten, Herrn Dr. Josef Sobek, richten, der mich auf meiner Reise begleitet hat und mir mit Rat und Tat bei den Kindern zur Seite stand.

Wir wurden geehrt und gefeiert, alle 430 Kinder nahmen im Schulhof Aufstellung und 1 Stunde lang wurden verschiedene Tänze aufgeführt, traditionell oder modern und sogar unter Mitwirkung einiger Schwestern.

Es war sehr anrührend und bestärkt mich natürlich, mit vollem Einsatz weiter für die Kinder zu arbeiten.

Was mir bisher nicht in diesem Umfang klar war, Talata Volonondry ist eine sehr arme Mission und die Schwestern würden sich sehr über weitere Patenschaften freuen. Wir wurden ausdrücklich darum gebeten.

Angedacht wurde auch, einmal alle Kinder gründlich untersuchen zu lassen. Einen Arzt dafür gäbe es in Antananarivo, Dr. Lala, der in Dte. studiert hat, aber das muß wohlüberlegt und vor allem auch finanziert werden.

Wundert Euch bitte nicht, wenn Ihr auf den Bildern ein Mutterschwein mit seinen Jungen seht. Wir hatten einem Jungen, Rivo, eine Anschub- finanzierung gegeben, um sich eine Schweinezucht aufzubauen. Er hat Erfolg, aber die Schweine leben im Moment im Haus der Familie, weil es schon mehrere Diebstahlversuche gab.

Talata heißt übrigens Dienstag und Volonondry bedeutet Schafwolle.

Madagaskar und seinen 22 Mio. Einwohnern selbst geht es nicht gut. Das Hauptproblem im Land ist die Korruption, die sich durch alle Schichten zieht, angefangen bei den Ministern, bis hin zum kleinen Polizisten oder Soldaten. Die Kassen der staatlichen Unternehmen, wie Strom- und Wasserversorgung, sind leer und täglich werden viele Stunden lang Strom und/oder Wasser abgestellt. Momente, in denen beides gleichzeitig zu haben ist, sind selten. Regional ist die Versorgung mit Obst und Gemüse gut, der Radius ist aber, aufgrund der schlechten Straßen, gering und im Süden des Landes verhungern nach wie vor die Menschen. Zugverkehr findet nicht mehr statt, entweder die Loks sind reparaturbedürftig, oder die Schienen.

Hier noch ein paar Impressionen :

Das durchschn. Alter eines Mannes in Mada. liegt bei 54, das einer Frau bei 57 Jahren. Die Kindersterblichkeit ist nach wie vor hoch und mindestens 80 % der Bevölkerung sind ohne festes, geregeltes Ein-kommen. Der Zugang zu sauberem Trinkwasser ist bei weitem nicht gegeben, genausowenig wie medizinische Versorgung. In Talata, mit seinen 5.000 Einwohnern, gibt es z.B. keinen Zahnarzt.

In der Hauptstadt Antananarivo, mit geschätzten 2 Mio. Einwohnern, funktionieren von 35 Müllfahrzeugen 5. Menschen leben mit, auf und im Müll, die Luftverschmutzung ist extrem und die Kriminalitätsrate steigend.

Rund um die Hauptstadt gibt es einen neuen Geschäftszweig : Schlag- löcher auffüllen !! Zunächst werden aber des nachts Löcher in die Straßen gehackt, um sich am nächsten Tag als Straßenarbeiter zu präsentieren, der die Löcher füllt und natürlich ein entsprechendes Trinkgeld dafür erwartet.

Im Moment gibt in Mada. 260 Glaubensgemeinschaften und Sekten, wobei auch hier der Islam deutlich auf dem Vormarsch ist.

Zum Schluß möchte ich mich bedanken bei Herrn Harald Gehrig, Bot-schafter der Bundesrepublik Deutschland in Madagaskar, der uns, Dr. Josef Sobek, Klaus Heimer und mir, reichlich seiner kostbaren Zeit gewidmet hat, um ihm unser Projekt in Talata Volonondry vorzustellen und mehr über die Situation in Madagaskar zu erfahren. Er wird auch so freundlich sein, mir ein Grußwort zu übermitteln, das ich an meinen Bericht anhängen werde.

Das größte Dankeschön geht aber an meinen lieben Mann, Ernst Neumayr, der mit mir das Patenprojekt ins Leben gerufen hat, alle anfallenden Kosten übernimmt und es mir jedes Jahr ermöglicht, zu den Kindern zu reisen.

Liebe Freunde, Ihr seht, unsere Arbeit ist wichtig und nötig und ich danke Euch für Eure Treue und Euer Vertrauen. Jeder Euro ist wichtig, da er zu 100 % bei den Kindern ankommt und jeder neue Pate ist herzlich willkommen.

Ich wünsche Euch alles Gute und paßt auf Euch auf,

Eure Eva, im Mai 2015

Den Link für die Fotos bekommt Ihr von mir per email. Sicherlich hat der Eine oder Andere Fragen zu den Fotos, die ich jederzeit gerne beantworten werde. Ich hoffe, Ihr habt auch für folgende Entscheidung Verständnis - die Auf- und Verarbeitung meiner diesjährigen Reise war ziemlich viel Arbeit und aus diesem Grund lasse ich Euch den Bericht per mail zukommen. D.h., daß die Briefchen der Kinder bei mir bleiben und ich sie Euch zusammen mit den Juli-Briefchen per Post schicken werde.

Fotos zur Reise